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Rheintalische Volkszeitung, 24. November 2007

Kontakt

AFG Arbonia-Forster-Holding AG
Dr. Edgar Oehler
Amriswilerstrasse 50
CH-9320 Arbon
T +41 71 447 41 41
F +41 71 447 45 89
presse@afg.ch

Wir sind keine Mücken für die Heuschrecken

[Sonntag | 30. August 2009 | Interview]

Arbonia-Forster-Chef Edgar Oehler über seine Blutvergiftung und den idealen Nachfolger

Er ging knapp am Tod vorbei und wurde von den Banken zum Rücktritt als Konzernchef gedrängt. Doch Edgar Oehler (67) will die Macht nicht abgeben: Er schiebt die Einführung der Einheitsaktie und die Suche nach einem Nachfolger hinaus.
VON PETER BURKHARDT UND ARTHUR RUTISHAUSER

Herr Oehler, Anfang Jahr ist Ihr Konzern massiv von der Krise getroffen worden, und Sie mussten einen Stellenabbau bekanntgeben. Wie steht es jetzt um Arbonia Forster?
Ich bin überzeugt, wir kommen bald in einen Aufschwung, rascher als die anderen. Wir hatten einen guten Juli. Im Geschäft mit Fenstern, Türen und Küchen laufen wir in der Schweiz fast am Anschlag. Wir sehen überall eine Bodenbildung, auch in den beiden Bereichen, die uns am meisten belastethaben, der Oberfiächentechnologie und der Stahltechnik.

Also machen Sie in diesem Jahr einen Gewinn?
Das ist möglich. Ich bin noch zuversichtlicher als bei der Verkündigung des Halbjahresergebnisses Anfang August. Wir sind länger von einem Worst Case ausgegangen als nötig.

Bleiben Sie beim Abbau von bis zu 600 Stellen?
Es besteht die Chance, dass wir weniger Leute entlassen müssen als geplant. Vor zwei Jahren galten Sie noch als Superstar. Im Frühjahr gab es Gerüchte um einen Konkurs und massive Kritik an Ihnen.

Wie gehen Sie damit um?
Das beeindruckt mich nicht sonderlich. Das ist doch immer so: Wenn es aufwärtsgeht, kommen alle mit den Fahnen und der Musik, wenn es schlecht geht, kommen sie mit den Gewehren und den Ruten. Ein Konkurs war nie ein Thema, erschien nicht einmal im Traum; solche Aussagen gewisser Medien sind schlimmer als Kreditschädigung, mindestens aber eine Selbstqualifikation unfähiger Leute.

Die Banken setzten Sie im Frühling wegen der massiven Nettoverschuldung von 490 Millionen Franken stark unter Druck und zwangen Sie, eine Einheitsaktie einzuführen. Wie haben Sie das empfunden?
Wissen Sie: Nicht alles, was geschrieben wurde, ist wahr. Wir haben im Dezember 2008 die ersten Gespräche mit den Banken geführt mit Blick aufs neue Jahr. Da war von Anfang an eine Aktienkapitalerhöhung geplant, weil wir sahen, dass wir in Probleme kommen könnten, wenn es weiter so abwärtsgeht.

Kann es sein, dass die Einheitsaktie doch nicht kommt? Bisher blieb es bei der Ankündigung.
Nein. Die Einheitsaktie als solche wird kommen. Ich setze aber alles daran, dass Arbonia Forster nicht zerstückelt wird. Erst wenn ich das gesichert habe, kommt die Einheitsaktie.

Wer will Arbonia zerstückeln?
Heute habe ich für jede Division ein Angebot, sodass man den Konzern zerhacken könnte. Meistens nicht von industriellen, sondern von Finanzinvestoren. Wenn man zusammenzählt, was diese Heuschrecken bieten, ist es massiv mehr als der heutige Börsenwert. Aber ein Verkauf von Einzelteilen kommt nicht infrage, das ist nicht die Idee des Erfinders. Da würde ich mein ganzes Leben verleugnen und meine ganze Regional und Wirtschaftspolitik. Wir von der AFG sind keine Jo-Jos und Mücken für die Heuschrecken.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die AFG nach Einführung der Einheitsaktie nicht zerschlagen wird?
Das müssen Sie mir überlassen. Es gibt zwei Konzepte, ohne Heuschrecken und ohne Verkaufen.

Wie lange geben Sie sich Zeit für die Einführung der Einheitsaktie?
Das Ziel ist bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung.

Das heisst, die vom Verwaltungsrat beschlossene ausserordentliche GV, die noch in diesem Jahr hätte stattfinden sollen, gibt es nun doch nicht?
Das ist noch offen. Für mich steht die Zukunft der ganzen AFG im Zentrum, nicht die Wünsche einzelner. Wir sind nicht da, um einzelne finanziell zu befriedigen und im Gegenzug die AFG zu zerstückeln, um diesen einzelnen grosse Kasinogewinne zu ermöglichen.

Bis Frühling 2010 wollen Sie einen Nachfolger als Konzernchef gefunden haben. Wie stellen Sie sich Ihren Nachfolger vor?
Er muss sowohl vom Bau wie von der Industrie etwas verstehen. Er muss die Märkte kennen, führungsstark sein. Er muss Erfahrung mitbringen, auch internationale. Das Zielalter ist plus/minus 50.

Aber es ist doch so: Sie schieben die Einheitsaktie hinaus, Sie schieben die Suche nach einem CEO hinaus.
Das stimmt nicht. Die Suche läuft. Wir haben mit fünf Headhuntern gesprochen. Jetzt ist noch ein Gespräch offen, das findet nächste Woche statt. Spätestens nächste Woche ist der Headhunter bestimmt Bis Mitte nächsten Jahres muss der CEO gefunden sein.

Sie hatten eine schwere Blutvergiftung, die lebensbedrohend wurde. Gleichzeitig schlitterte AFG in die Krise. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?
Ich stand mit einem Bein im Sarg. Da merkte ich, dass ich als CEO nicht so weitermachen kann, sondern einen Nachfolger brauche, der das Geschäft weiterführen kann.

Wie geht es Ihnen heute gesundheitlich? Sind Sie rein physisch wieder in der Lage, den Konzern zu führen?
Ich würde sagen, ja. Problemlos. Ich mache jeden Tag wie früher zwischen 5 und 10 Kilometer Lautband, stehe am Morgen um halb fünf auf- also eine halbe Stunde früher als bisher. So kann ich eine halbe Stunde länger laufen.

War es nicht ein Fehler von Ihnen, während der Hochkonjunktur alles mögliche dazuzukaufen?
Man kann es immer besser machen, aber die Idee von mir war, fünf Standbeine zu haben. In der Vergangenheit hat sich das immer ausbezahlt, ausser in der jetzigen weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Einmal lief die Industrie gut, einmal der Bau.

Mit anderen Worten: An der Konzernstruktur, die Sie gebaut haben, wollen Sie nichts ändern?
So hart kann man das nicht sagen. Man muss jetzt schauen, wie die Konjunktur läuft. Ich würde gerne die Fensterproduktion ausweiten Richtung Osten, das haben wir wegen der Wirtschaftslage gestoppt.

Hingegen der Küchenbau: Sie finden keinen grossen Küchenbauer, der echt Geld verdient. Also wollen Sie raus aus diesem Geschäft?
Sicher nicht jetzt. Jetzt bringen wir das erst einmal auf Vordermann.

Glauben Sie, die Verlustbringer Oberflächentechnologie und Stahltechnik erholen sich wieder?
Sicher. Der Einbruch ist nur konjunkturell bedingt. Da verdient man in guten Zeiten am meisten Geld.

Steht ein Verkauf oder Börsengang dieser beiden Geschäftsbereiche zur Diskussion?
Wenn sie 350 Millionen Umsatz machen, dann gibt es einen Spin-off. Gemäss unserer Planung vor der Krise wären wir 2013 so weit gewesen, wegen der Krise dauert es etwas länger. Aber ein Börsengang ist nach wie vor ein Thema.

Und ein Verkauf an andere Konzerne?
Es gibt nichts, das man nicht verkaufen kann.

Die nationalrätliche Wirtschaftskommission will die Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate verlängern. Halten Sie das für eine gute Idee?
Ja. Das würde Tausenden Beschäftigten in der Schweiz ihre Stelle retten. Hätten wir diese Möglichkeit schon jetzt, müsste ich in der Oberflächentechnologie nicht so viele Leute entlassen wie vorgesehen.

Dann sind Sie schlecht vertreten von Economiesuisse. Die sträubt sich gegen jede Verlängerung der Kurzarbeit.
Gerold Bührer ist halt für den vollen Liberalismus. Aber diese Zeiten sind vorbei.

Sie wollen einen Uberbrückungsfonds für die Industrie aufstellen. Aber Bundesrätin Doris Leuthard, die wie Sie aus der CVP kommt, ist dagegen.
Die hört zu sehr auf ihre Berater. Ich habe Frau Leuthard schon 2007 vor der Verslumung der Schweiz und vor der Wirtschaftskrise gewarnt. Sie wollte nichts davon wissen. Inzwischen ist auch sie in der Realität angekommen Vielleicht lernt sie ja jetzt besser, mit ihr umzugehen.