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Patron der Ostschweiz

[Die Weltwoche | 09. Oktober 2008 | Artikel]

Mit Klartext, Ironie und Finanzspritzen bekämpft Edgar Oehler die kollektive Depression nach dem Abstieg des FC St. Gallen.

Aus dem neuen Jeep beim Bahnhof Arbon steigt eine junge Frau mit schwarz glänzendem Haar, dunkler Haut und einem knallgelben T-Shirt. Es ist die Tochter von Edgar Oehler, dem starken Mann der Ostschweizer Wirtschaft und des Ostschweizer Fussballs. Sie fährt die Besucherin zum Sitz der Arbonia Forster, des Unternehmens, das ihrem Vater gehört. Was aussieht wie der schicke Hauptsitz einer Investmentbank, ist der Hauptsitz des oehlerschen Küchen-, Fenster- und Türenkonzerns, vor drei Monaten eröffnet. Im vierten Stock wird man bei der Sekretärin abgegeben, die einen ins Konferenzzimmer führt, wo man Zeit hat, die grossartige Aussicht auf den Bodensee zu bewundern und die silbernen Türgriffe von Colani. Eine andere Tür geht auf, und ein rundlicher, älterer Herr kommt herein. Ausgehend von einer Bemerkung über das Wetter, landet man in einem Diskurs über den Föhn und seine Auswirkungen auf den Weinbau. Die Reporterin versteht von beidem nichts und wechselt das Thema. Sie sagt etwas über den tollen Bau, worauf Edgar Oehler aufspringt und eine Führung anbietet. Es geht den Gang hinunter zu einem Saal mit Bar, endlosem Tisch, Orchideen und locker drapierten Eames-Sesseln. Oehler steuert mit ausgestrecktem Zeigefinger auf eine Wand zu. Darin ist ein Touchscreen eingelassen, jetzt werden - tipp, tipp - Storen hochgezogen, Lichter angezündet und gelöscht. Vor lauter Freude scheint der Chef für einen Moment den Besuch zu vergessen. Auf der riesigen Terrasse ist es zugig: «Gehen wir rein, bevor Ihnen die Frisur davonfliegt.» Beim Rückmarsch richtet der Hausherr noch rasch einen Spot richtig aus. Ordnung muss sein.

Der Hauptsitz ist nicht das einzige Geschenk, das sich Oehler dieses Jahr gemacht hat. Eben ist das neue Stadion des FC St. Gallen eröffnet worden, die AFG-Arena, benannt nach Oehlers Firma (Arbonia Forster Group). Für die Schweiz ist es eine Novität, dass eine Firma den Namen eines Stadions kauft; eine Million Franken im Jahr kostet der Spass. Die Buchstaben prangen riesig auf dem Dach, im Innern sind die Tribünen nach Tochterfirmen der AFG benannt: Piatti-Tribüne, Ego-Kiefer-Tribüne. Darüber thronen verglaste Logen. Oehlers Loge sieht aus wie eine Forster-Küche, komplett mit Schüttstein und Mikrowelle.

Es wäre alles super, wenn nicht das Schicksal der Ostschweiz und Edgar Oehler einen üblen Streich gespielt hätte. Just auf die Eröffnung der AFG-Arena hin stieg der FC St. Gallen ab in die Challenge League, die zweithöchste Spielklasse. Spiele der «Gurkenliga» (Volksmund) werden nur auf Star TV übertragen, kein Millionenpublikum sieht das teuer erkaufte AFG-Logo.

Dabei wollte Oehler doch, „dass wir in der Ostschweiz auch jemand sind. Als Nationalrat in Bern hörte ich immer: die Halbwilde det usse. Das hockt in der Bevölkerung. Der Abstieg war für unsere Psyche ein Gau. Immer müssen wir erfahren, die Schweiz hört in Winterthur auf. Und jetzt tschutten wir uns selber dört abe.“ Nun komme statt des FC Basels halt Wohlen oder Baden, „auch nett“. Oehler ist bei der Ironie gelandet. Das war vor dem Abstieg anders. Da wütete er. Die Verantwortlichen des FC St. Gallen titulierte er als „Trachtengruppe“, sprach von“Management by Moses: in die Wüste führen und auf ein Wunder hoffen“. Dem Sportchef legte er nahe, sich besser als „Papierkorbleerer“ oder „Platzwart“ zu versuchen.

Jetzt sagt er, ja, ja, „Trachtengruppe“ sei nicht nett. Trachtenvereine schrieben ihm empörte Briefe. „Die galt ich alle ab mit 500 Franken.“

Geld verfehlt seine Wirkung eben selten. Nach dem Abstieg wollten die Verantwortlichen um den glücklosen Klubpräsidenten Dieter Froehlich in ihren Ämtern bleiben. Da griff Oehler zum finanziellen Zweihänder. Öffentlich verkündete er, wenn Froehlich und Konsorten gingen, zahle er weiterhin eine Million pro Jahr plus ein paar 100 000 Franken aus dem eigenen Sack. Nach der Deklassierung des FC St. Gallen hätte Oehler eigentlich nur noch eine halbe Million für die Stadionbeschriftung zahlen müssen. Es wirkte, Froehlich und andere aus dem VR traten ab, nicht ohne einiges Hin und Her und „Seelenmassage“, wie Oehler sagt. Neu wird der Klub von Michael Hüppi präsidiert, dem Bruder des Sportkommentators.

In St. Gallen hört man da und dort das Wort „Erpressung“. Oehler sagt, er sei es auch den Fans schuldig gewesen. Hunderte von Briefen habe er erhalten. Tenor: Endlich rede einer Klartext, bravo. Die Fans halten zu ihrem FC: Es wurden über 50 Prozent mehr Saisonkarten verkauft als letztes Jahr. St. Gallen hat nach Basel und Bern den höchsten Zuschauerschnitt aller Schweizer Fussballklubs. Der FC dankte es mit bisher acht Siegen in neun Spielen. Es ist nicht das erste Mal, dass im Zusammenhang mit Oehler das Wort „Erpressung“ die Runde macht. Für den neuen Hauptsitz musste Landwirtschafts- in Bauland umgezont werden. Es gab Widerstand. Oehler sagte: „Gut, dann verlege ich den Hauptsitz anderswohin.“ Arbon hätte seinen wohl besten Steuerzahler verloren. Da willigte man murrend ein.

Edgar Oehler ist kein Pitbull, er wirkt auf den ersten Blick eher wie ein Labrador oder ein Bernhardiner. „Freundlich, gemütlich und weich. Nicht unsympathisch“, sagt sogar einer der Ehemaligen aus der Klubleitung über ihn, der ihm sonst nicht wohlgesinnt ist. Und so sitzt er einem gegenüber. Die rote Krawatte mit Giräffli und Elefäntli trägt dazu bei, ihn für einen kurligen älteren Patron zuhalten. Und dann hat er ja auch diese Hängebacken. Und zugenommen. Er klagt über „absolut keine Bewegung“. Bevor er die AFG übernommen habe, sei er jedes Wochenende siebzig Kilometer gewandert. Jetzt stünden zwar überall Fitnessgeräte. „Nein, Workout-Geräte, das tönt besser. Aber wenn Sie um fünf Uhr morgens aufstehen, aufs Laufband?“ Er verzieht das Gesicht. „Abends um zehn, wenn Sie heimkommen, aufs Laufband?“ Wie gesagt, weich und sympathisch. Doch man sollte sich nicht zu früh einlullen lassen. Seine Augen werden schmal, als man sagt, manche hielten ihn für „unanständig“, weil er Sportchef René Weiler als Papierkorbleerer bezeichnet hat. Oehler: „Solche Leute sollen froh sein, dass ich zurückhaltend bin. Dass ich es bei dem einen Satz beliess. Sehr vorteilhaft. Sehr, sehr vorteilhaft. Es können viele froh sein, dass ich anständig bin. Sonst würde es gottvergessen klöpfen.“ Wäre er ein Hund, würde er die Lefzen hochziehen.

„Ich bin der, der hinsteht und sagt, was er denkt. Darum habe ich es in der Politik zu nichts gebracht.“ Sprich: Er wurde nicht Bundesrat. 24 Jahre sass er für die CVP im Nationalrat. „Wenn ich unanständig wäre, wäre ich nicht immer wieder gewählt worden. Wenn ich unanständig wäre, hätte mich nicht die Familie Züllig gefragt, ob ich nach dem Tod des Firmenpatrons die Arbonia übernehmen würde.“ Oehler war unter Züllig einst Chef der Arbonia gewesen, es kam zum Streit, Oehler wurde entlassen, kurz vor dem Tode Zülligs versöhnten sich die beiden wohl ähnlich dickköpfigen Männer wieder.

Etwas später erzählt er Folgendes. Grüsse ihn ein Promovierter am Telefon mit: „Doktor Müller. Guten Morgen Herr Doktor Oehler“, sage er: „Hören Sie mir auf mit der verdammten Beschimpferei. Wir beide sind promoviert worden durch Gottes Gnaden und des Vaters Barmherzigkeit.“ Er unterschreibe alle seine Mails mit „Ö“. Fertig. Die Anekdote soll den Eindruck vermitteln, er sei kein Chef, der den Chef heraushängt. Aber natürlich kann nur einer es sich erlauben, bloss einen Buchstaben hinzuschreiben: eben, der Chef.

Edgar Oehler fragt, ob man den Springbrunnen vor dem Haus gesehen habe. „Die Leute arbeiten besser im Schönen. In meinen Fabriken gibt es immer Wasser, Licht, Blumen. Kommen die Leute am Morgen chli süderig zur Arbeit, denken sie beim Hinfahren: Hier ist es schön. Und schon ist die Stimmung da.“ Im Gespräch erkundigt sich Oehler, ob man seine Tochter, die im Marketing arbeite, gesehen habe. Stumm schwingt die Frage mit: Ist sie nicht schön? Ja, sie ist, hätte man geantwortet. Sie ist indischer Abstammung. Das Ehepaar Oehler hat vier adoptierte Töchter. Im Moment ist in der Firma nicht alles rosig. Arbonia Forster ist in den fünf Jahren, seit der Besitzer Edgar Oehler heisst, schnell gewachsen, in Tschechien, China, Russland. Der Umsatz verdreifachte sich auf 1,4 Milliarden Franken. Doch der Gewinn machte nicht mit, jetzt wird gespart. Etwa bei den Rauchern. Sie müssen neu für ihre Zigarettenpause ausstempeln. Kleinlich? „Das mag auf den ersten Blick so erscheinen », sagt Oehler, um dann folgende Aufgabe zu stellen: 200 Raucher rauchen 5 Zigaretten pro Tag, für jede Zigarette fehlen sie 15 Minuten an ihrem Arbeitsplatz. Rechne! Wenn das keine Ironie ist: Der ehemalige Präsident des Verbandes Schweizerischer Zigarettenindustrie vergällt seinen Mitarbeitern das Rauchen.

Mit 18 Jahren fuhr der Gymnasiast Oehler mit dem Schiff in die USA, als Austauschschüler nach Dallas. Mit 25 Jahren war er Assistent an der Hochschule St. Gallen, wo er Recht studierte. Während der Uni-Zeit gründete er sein eigenes Gipsergeschäft, mit 29 Jahren wurde er Nationalrat. Er war auch Chefredaktor der rechtskatholischen Zeitung Die Ostschweiz. Er erzählt, wie er als exchange student im Weissen Haus von Jackie und John F. Kennedy gewesen sei. „Das tat mir die Knöpfe auf.“ Seinen Mädchen sollten die Knöpfe auch aufgehen. Sie mussten in den Sommerferien jeweils in eine Schule in Florida. Dort hatte Oehler einmal einen Vortrag gehalten zum Thema „Kitchen 2000“. Es gefiel ihm, er kaufte kurzerhand ein Haus, liess Frau und Kinder kommen und fragte: „Gefällt es euch?“ – „Ja.“ – „Würdet ihr hier mit mir Ferien machen?“ – „Ja.“ Seine Frau: „Wenn wir müssen.“ Das sind schlechte Voraussetzungen, sagte sich Edgar Oehler. In der gleichen Woche kaufte er ein neues.

Oehler hält sich aus der Politik raus. Ausser bei den jüngsten St.Galler Regierungsratswahlen. Da trat er als Kritiker von Lucrezia Meier-Schatz in Erscheinung, der Kandidatin seiner eigenen Partei. Er hatte die Abwahl von Christoph Blocher, den er aus dem Militär und dem Verwaltungsrat der Arbonia kennt, als schlimm empfunden. Meier-Schatz spielte bei der Angelegenheit eine Rolle. Dies habe das Volk, wie man sehe, nicht goutiert. Und Oehler fügt an: „Sie wurde nicht wegen ihrer nichtexistenten Schönheit nicht gewählt.“