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FC St. Gallen - Wir müssen aufsteigen

[Sonntags Zeitung | 23. November 2008 | Artikel]

Der schwierige Kampf des FC St. Gallen ums Überleben in der Challenge League

In seiner Loge hoch über dem Rasen der AFG-Arena pflegt Edgar Oehler die Symbolik. Wenn die Mannschaft des FC St. Gallen gut spielt, brennt das Licht grün. Wenn sie schlecht ist, wechselt es auf rot. Im Geschäft hält er das auch so, um seine Gemütsverfassung deutlich zu machen. Nur die Kinder daheim verschonte er früher damit. Wenn sie ihn verärgert hatten, weckte er sie morgens lieber mit Marschmusik aus der Stereoanlage.

Grün ist die Farbe des Samstags. Der FC St. Gallen, für den Oehler so viel Sympathie empfindet, gewinnt gegen Locarno 2:0 und zieht in die Viertelfinals des Schweizer Cups ein. Es ist das gute Ende einer Woche, die für die St. Galler mit einem ereignisreichen Montag begann. In Lausanne setzten die Spieler ihren Siegeszug in der Challenge League mit einem 5:0 fort und behielten den Kontakt zu Leader Lugano. Daheim tagten unterdessen die Verwaltungsräte der Stadion AG, der Betriebs AG AFG-Arena und der PC St. Gallen AG mit den Präsidenten der Donatorenvereinigungen und dem mächtigen Unternehmer Oehler, der mit seiner AFG (Arbonia-Forster-Holding) dem Stadion den Namen gegeben hat.

«Die Elefantenrunde», so Klubpräsident Michael Hüppi, befasste sich mit einem Thema: Wie retten wir den Verein? Das Thema ist ebenso schwer wie drängend und in den Köpfen der Ostschweizer Fussballgemeinde verankert, seit Hüppi am 3. November in einem Communiqué verkündete: «Trotz sportlichem Rückenwind bläst dem FC St.Gallen finanziell eine raue Brise ins Gesicht: Er befindet sich in einem ernst zu nehmenden Liquiditätsengpass. Kurzfristig fehlen 1,5 Millionen Franken.» Und kurzfristig heisst: innert Monatsfrist, bis Ende November.

Anfang 2007 hatten sich die St. Galler noch auf Augenhöhe mit dem FC Zürich und Basel an der Tabellenspitze der Super League bewegt. Danach begann schleichend der böse Absturz. Im Herbst vor einem Jahr polterte Edgar Oehler und bezeichnete den damaligen Vorstand um Dieter Froehlich als «Trachtengruppe» und bescheinigte Sportchef René Weiler allenfalls die Fähigkeit zum «Papierkorbleerer». Heute sagt Oehler: «Ich gab in der mir eigenen Art Qualifikationen ab. Jemand musste einmal die Wahrheit sagen - und das so offen, dass es alle verstanden.»

Er fürchtete um den Konkurs eines Vereins, der für die Ostschweiz identitätsstiftend wirkt. Um das zu verhindern, trug er «einige Millionen Franken» zusammen, auch aus eigenen Mitteln. Das Geld, ein neuer Trainer (Balakov) und vier neue Spieler verhinderten am Ende den Abstieg aber nicht. Froehlich und sein Verwaltungsrat zogen sich zurück. Im Juni kam Hüppi, ein Anwalt mit tiefer Verbundenheit zu den St. Galler Fussballern «seit Kleinstbubenjahren». Wie es um den Klub stand, war unübersehbar: Allein im ersten Halbjahr 2008 hatte er wegen seiner personellen Notmassnahmen 1,8 Millionen Franken Verlust geschrieben. Unter Hüppi wurde gleich gespart, was ging, 1,2 Millionen insgesamt. Oehler zahlte freiwillig zusätzliche 500 000 Franken, weil die Einnahmen durch den Abstieg zurückgegangen waren. Nichts hat geholfen. Das Eigenkapital der FC St. Gallen AG ist von 3,696 Millionen auf 700 000 Franken geschrumpft. Die Bilanz sei «hundslausig zwäg», formuliert es Hüppi ungeschminkt. Sie muss dringend saniert werden, um das grosse Projekt dieser Saison nicht zu gefährden. Denn Oehler sagt unmissverständlich: «Wir müssen aufsteigen – und fertig! Koste es, was es wolle!»

Der Stadion AG gehört das Stadion. Die Betriebs AG betreibt die AFG-Arena, verbucht alle Einnahmen aus dem Billettverkauf, Sponsoring, Catering und der Vergabe der Namensrechte, die sich Oehler jährlich eine Million kosten lässt, und entschädigt die FC St. Gallen AG mindestens mit vier Millionen pro Saison. In der Super League waren das noch über sechs Millionen. Jetzt leidet der Klub mit seinen Ausgaben von sechs Millionen Franken überdies darunter, dass in der Challenge League vom Fernsehen 75000 Franken abfallen. Das ist kümmerlich im Vergleich zu der halben Million, die etwa ein 5. Platz eine Liga höher wert ist. Dass die St. Galler das Zugpferd der ganzen Liga sind und deshalb oft das Fernsehspiel am Montagabend bestreiten müssen, kostet sie, so Hüppis Vermutung, in der Arena jeweils 2000 Zuschauer. Der November geht zu Ende. Das frische Geld wird so dringend gebraucht, weil bald die Unterlagen für die neue Lizenz eingereicht werden müssen. In der Not bleibt auch der St. Galler Führung nicht viel anderes übrig, als die immer gleichen Leute um Hilfe anzugehen. Neue Geldgeber zu finden ist in der überschaubaren Ostschweiz äusserst schwierig. Oehler wehrt sich zwar gegen den Eindruck, es sei ja ohnehin klar, dass er helfen werde. Aber ihm ist bewusst: Der Weg der Rettung führt nicht an ihm vorbei. Er hat deshalb Transparenz bei den Geschäftsgängen zwischen Betriebs AG und Verein verlangt, bevor er Geld geben will. Am Montag beim Treffen der «Elefantenrunde» hat er den gewünschten Einblick erhalten.

Das Massnahmenpaket sieht drei Punkte vor: die Donatoren um Hilfe bitten, die Kooperation im Nachwuchsbereich mit dem FC Wil vorantreiben, die eine Kostensenkung von 1,2 Millionen auf 900 000 Franken bringen soll, und vor allem die Gründung einer Spielerfinanzierungsgesellschaft. Das gesamte Spielerkader und auch Nachwuchstalente sollen ihr überschrieben werden. Der Klub würde dafür laut Hüppi mit «vier bis sechs Millionen Franken» entschädigt und wäre an künftigen Transfergewinnen beteiligt. «Wir bringen die Mittel dafür zusammen», glaubt der Präsident. Am liebsten wäre ihm bis Ende Jahr. Oehler hat die Bereitschaft signalisiert, in die Gesellschaft zu investieren.

Edgar Oehler ist der Sohn eines Malermeisters aus Balgach SG und Vater von vier Adoptivkindern. Er war Chefredaktor der Zeitung «Ostschweiz» und bis 1995 während 24 Jahren für die CVP im Nationalrat. Seit 2003 gehört ihm die Aktienmehrheit der Arbonia-Forster-Holding, die unter anderem mit Küchen, Türen und Firmen der Heiztechnik 1,5 Milliarden Franken umsetzt. Inzwischen ist er 66-jährig. Und er sagt: «Wir von der Wirtschaft müssen etwas für die Leute machen, was der Staat, die öffentliche Hand und die Fans selbst nicht finanzieren können, wenn man sich zum Ziel setzt, Teil der schweizerischen Sportwelt zu sein. Für uns ist das ein Klacks.»

Am Tag von Michael Hüppis 52. Geburtstag jubelt St. Gallen über den Erfolg im Cup. Die Prämie von 75'000 Franken, die der Schweizer Verband dafür zahlt, ist eine willkommene Zugabe in kargen Zeiten.

Nachdem der Winter über St. Gatten gekommen und der Rasen in der AFG-Arena von einer dicken Schneeschicht befreit worden war, begannen die munteren St. Galler Anhänger vom Frühsommer zu träumen. „Finale!“, sangen sie im Gefühl des sicheren 2:0-Sieges gegen Locarno, auch wenn damit im Schweizer Cup erst die Viertelfinals erreicht worden sind. „Wir sind erst am Fuss des Matterhorns“, sagte St. Gallens jovialer Trainer Uli Forte, „uns fehlen noch zwei Etappen bis zum Gipfel.“ Der Platz war in keinem Zustand gewesen, der gepflegten Fussball zuliess. Die Ostschweizer kontrollierten Spiel und Gegner, ohne je Gefahr zu laufen, für ihre vielen Ballverluste bestraft zu werden. Hämmerli schoss das herrliche 1:0 kurz vor der Pause, Muntwiler stellte in der 73. Minute das 2:0 sicher. Die Stimmung in diesem wunderbaren Kleinstadion war bestens, obschon die 7007 Zuschauer einen Saisonminusrekord bedeuteten. „Der FC St. Gallen hat eine unheimliche Magnetwirkung ", sagte Präsident Michael Hüppi und erklärte sich das in dieser Saison nicht zuletzt mit der Tatsache, dass man sich eben mit dieser Mannschaft identifizieren könne. Gestern standen acht Schweizer in der Startformation.