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Wir von der Realwirtschaft

Dr. Edgar Oehler, AFG Arbonia-Forster-Holding AG

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Dr. Edgar Oehler, AFG Arbonia-Forster-Holding AG

18. März 2008

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Wir von der Realwirtschaft

[Dr. Edgar Oehler, AFG Arbonia-Forster-Holding AG | Delegiertenversammlung Gewerbeverein Kanton St. Gallen | St. Gallen, 07. Mai 2008]

Eigentlich würde ich lieber über den FCSG bzw. dessen Zustand reden als über die Finanz- und Realwirtschaft. Da wie dort geht ohne Leistung, geht ohne klare Führung und ohne Einsatz nichts.

Schauten in den vergangenen Jahren mit Erstaunen auf die Entwicklung in der Finanz- und Versicherungswirtschaft.

Wir waren stolz auf die Ergebnisse der Banken und den positiven Ruf, welchen sie sich weltweit erarbeiteten.

Je länger desto mehr entschwanden sie unserem Vorstellungsvermögen, die Fachsprache wurde unverständlich, Geldverdienen in der Finanzwirtschaft nahm Ausmasse an, welche wir nicht mehr verstanden.

Die Meldung von gestern Dienstag, heute in den Medien zu lesen, verstehen wir ebenso wenig: die UBS meldete für das erste Quartal 2008 einen Verlust von 11.5 Milliarden Franken.

In den vergangenen wenigen Jahren entwickelte sich eine Überklasse von Bankern, welche sich nicht um den Unterbau scherten, sich nicht darum kümmerten. Hauptsache war, jährlich Millionen ohne eigenes Risiko zu verdienen und einige Millionen zusätzlich als Bonus darauf gesattelt zu bekommen.

Der Banker von nebenan schaute fassungslos zu, was sich im banktechnischen Überhimmel tat.

Fragen oder sogar Kritik waren nicht gefragt, im Gegenteil.

Heute kennen, ja spüren wir die Auswirkungen dieser Kasino- und Spielerwelt. Hundert Milliarden Verluste bei den Banken, massive Wertvernichtung beim einzelnen Aktionär, Hunderttausende von Konkursen. Man spricht von Schäden in der Höhe von 1'000 Milliarden Franken. Solche Zahlen beispielsweise mit 1.21 zu multiplizieren, bringt jeden Kleinrechner zum Absturz.

Angst um den Arbeitsplatz und die Zukunft greift um sich.

Wir blicken erstarrt in die Welt, sind fassungslos.

Derweil schuften wir von der Realwirtschaft in unseren Unternehmen, wehren uns gegen die falsche Entwicklung, tragen die persönliche Verantwortung für unser Unternehmen und unsere Arbeitsplätze. Noch bangen wir nicht um unsere Zukunft, die aber ist immer noch eher ungewiss.

Die Politik hat mittlerweile die Sprache verloren. Nicht weil die Exponenten nicht reden können, sondern weil sie das Ganze nicht mehr verstehen. Verständlich, wenn man die Zusammensetzung unseres Parlamentes untersucht.

Derweil beschäftigen wir uns in Regierungen und Parlamenten, in Gemeinderäten und an Bürgerversammlungen mit der Leinenpflicht für unsere Hunde, streiten uns an der Urne über rauchfreie Beizen, verteilen die Politiker Geld, das wir nicht haben, schaffen laufend Gratisbürger. Wir tun, als ob in der Welt nichts geschieht.

Am Horizont ziehen düstere Wollen auf, welche die Folgen der Finanzkrise ankündigen.

Und wir persönlich? Sind wir darauf vorbereitet?

Wir alle sind Realisten. Glücklicherweise. Die Politik hat in den gleichen vergangenen zwölf Monaten ebenfalls eigenartige Züge angenommen. Gebannt blickten wir auf die Berner Politik, auf die Erfolge und Misserfolge. Wir liessen uns blenden oder machten die Faust im Sack. Oder gaben unserer Frust unmissverständlich Ausdruck.

Wir haben gleichzeitig übersehen, dass wir Politikerinnen und Politiker unterstützen, die beinahe unbemerkt gegen unsere Interessen arbeiten. Ja wir haben sie sogar unterstützt und mitfinanziert. Wie anders könnte es sonst passieren, dass in der Schweiz eine Volksinitiative lanciert wird, welche ein Verbot für die Schaffung neuer Bauzonen für die nächsten 20 Jahre in die BV aufnehmen will? Lanciert von bürgerlichen Politiker aus der Ostschweiz, aus dem Kanton St. Gallen, nach Bern delegiert und getragen auch von der Wirtschaft?

Wie lassen wir unbemerkt zu, dass sich beispielsweise der Präsident des Gewerbeverbandes, wäre er Rheintaler, um die Nomination in seiner Partei bangen müsste, weil er den Vizepräsidenten des Gewerbeverbandes zur Wahl in den St. Galler Regierungsrat unterstützt? Maulkorb-Politik.

Wie weit ist eine Partei gekommen, die sich von einer Mandatsträgerin blenden lässt, sich der Diskussion verweigert und sich als einstmalige Mehrheitspartei  in das politische Elend abschieben lässt? Nur weil man dieser Mandatsträgerin lakaienhaft zu Füssen liegt.

Wie weit ist ein Land gekommen, wenn man mit Unwahrheiten und Wahrheitsverdrehungen ein Mitglied der Landsregierung aus dem Amt zu vertreiben hilft. Sich damit brüstet? Sich keiner Schuld bewusst ist, sondern die Bürger für so dumm abqualifiziert, dass sie hoffnungsvoll in die Wahlauseinandersetzung in den Regierungsrat stieg.

Wie kann man eine angeblich bürgerliche Mandatsträgerin als Vertreterin unseres Kantons akzeptieren, wenn sie alle nicht ihrem eigenen Gusto entsprechend wählen als Rechtsextremisten abqualifiziert? Seien es die Bürger von Oberriet oder ein abgewähltes Mitglied der Landesregierung?

Wer hat in diesen Fällen versagt? Nicht die Banken und nicht das politische System in unserem Land, sondern unser Mut und unser Engagement.

So wie es sehr viele nicht wagen, in der Finanzwelt offen und öffentlich unsere Meinung zu äussern, wagen wir es nicht, öffentlich und leicht verständlich die politischen Ränkespiele zu geisseln und die Konsequenzen zu ziehen. Noch befinden wir uns in den alten Grabenkriegen und ropen uns in die Zukunft.

Dabei sind wir am Wirtshaustisch oder beim Jassen doch oft sehr laut!

Ich erkenne hier Parallelen zwischen der Verhaltensweise in der Finanz- und Realwirtschaft.

Haben wir die Ziele oder unser Interesse an der staatlichen Gemeinschaft verloren? Sind wir politische und wirtschaftlich kurzsichtig geworden, risikoscheu oder ängstlich?

Ehrliche und offene Leute braucht das Land, verliebt in unsere Heimat, einsatzbereit für die Zukunft und die nächsten Generationen.

Wir von heute tragen die Verantwortung für diese Zukunft, denn wir sitzen an den Hebeln der Wirtschaft, der Politik. Wir verfügen in unserer Gemeinschaft über die bestimmenden Kräfte.

Es liegt an uns und unserer Generation, dass wir in der Schweiz ein schönes Ballenberg im Berner Oberland haben, nicht aber die ganze Schweiz zu einem Ballenberg verkommt.

Der St. Galler Professor Nawiasky hat uns an der Uni St. Gallen über die meinungsbildende Schicht in einem Staat gelehrt: 5 Prozent betrage diese Schicht.

Wir sind doch mehr.

Und so schliesse ich mit der Schrift auf meiner Duschabtrennung und lese täglich:

„Ein entschlossener Mensch wird mit einem Schraubenschlüssel mehr anstellen können als ein unentschlossener mit einem ganzen Werkzeugladen.“

 

 

Es gilt das gesprochene Wort