More interviews

«Die Gedanken führten zu einem Ziel: Überleben»

Leader

26 March 2011

Interview

Alles war in Fahrt

St. Galler Tagblatt

04 March 2011

Interview

Ein Unternehmer stirbt nicht. Er geht.

NZZ am Sonntag

13 February 2011

Interview

Zitat

"Wir müssen unsere Kader mehr fordern. Viele Unternehmen haben an der Spitze Zirkuspferde. Der Ackergaul aber zieht die Furchen, in die man säen kann."
Rheintalische Volkszeitung, 24. November 2007

Contact

AFG Arbonia-Forster-Holding AG
Dr. Edgar Oehler
Amriswilerstrasse 50
CH-9320 Arbon
T +41 71 447 41 41
F +41 71 447 45 89
presse@afg.ch

Interviews are only available in German.

«Die Gedanken führten zu einem Ziel: Überleben»

[Leader | 26 March 2011 | Interview]

Eine Ära geht zu Ende. An der Spitze der AFG Arbonia-Forster-Holding AG kommt es zu einem Führungs- und Generationenwechsel: Daniel Frutig (49) übernimmt vom 69-jährigen Edgar Oeh.ler das Amt des CE0s. Im Gespräch sagt Oehler, ob es ihm leicht fällt, kürzerzutreten, welche Gedanken er hatte, als es hiess, er hätte noch 24 Stunden zu leben, und was er von Thomas Müllers Parteiwechsel hält.

Edgar Oehler, seit den schweren Erdbeben in Japan sind erst wenige Tage vergangenen. Haben die Ereignisse in irgendeiner Form auch Ihr Unternehmen betroffen?
Nein. Weil wir vorwiegend in China tätig sind, haben uns die Vorfälle rein wirtschaftlich gesehen nicht getroffen. Emotional hat es mich jedoch sehr berührt. Ich bin in Japan zur Schule gegangen, habe dort viele Bekannte auch weil meine älteste Schwester mit einem Japaner verheiratet war. Die beiden sind inzwischen aber verstorben. Dennoch: Die familiäre Bindung zu diesem Land und seinen Menschen blieb bestehen. Daher habe ich unseren Freunden auch geschrieben und ihnen angeboten, hierher zu kommen. Das Ganze ist eine schreckliche Katastrophe.

Auch eine Katastrophe, die zeigt, dass wir in der globalen Wirtschaft mit vielen unsicheren Faktoren operieren müssen.
Das ist richtig. Ob bei Naturkatastrophen oder der jüngsten Wirtschaftskrise: An einem Ende der Welt beginnt es zu brodeln und die Auswirkungen erreichen uns innerhalb kurzer Zeit auch in der Schweiz. Erst kürzlich habe ich gelesen, dass in China für 85 Prozent der Bevölkerung der Kauf einer Wohnung ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen würde. Dort wartet ein ganzes Volk auf die Wende.

Relativieren solche Schicksale nicht automatisch auch den Geschäftsalltag? Wie war es bei Ihnen, als Sie die lebensbedrohende Blutvergiftung hatten?
Ja, in einer solchen Situation kommen Sie zu einer anderen Sicht der Dinge. Aber dann fragen Sie sich auch wieder, wozu Sie eigentlich hier auf der Welt sind. Sie fragen sich, ob Sie nicht auch etwas zu leisten haben, ob Sie allenfalls sogar etwas zurücklassen können. Daher sage ich auch immer: «Ein Unternehmer stirbt nicht, er geht«. Als  Unternehmer habe ich immer die Möglichkeiten gesehen, die Wirtschaft mitzugestalten. Ich tat dies aber nie aus reinem Selbstzweck. Ich wollte für die Region und Ihre Menschen Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Meine ganze Energie hätte ich auch an einem anderen Ort der Welt in eine Firma investieren können. Doch meine Wurzeln habe ich hier.

Wollen Sie überhaupt kürzertreten?
Wenn jemand so etwas erlebt hat wie ich Ende 2008... Wenn Sie mit einer Blutver- giftung im Spital liegen und man Ihnen sagt, dass Sie noch 24 Stunden zu leben hätten...

Was ging Ihnen durch den Kopf?
Ich hatte ja noch alle Zügel in den Händen. Man stellt sich die Frage, was passiert, wenn man für immer gehen muss. Und die Antwort: Chaos. Diese ganzen Gedanken führen zu einem klaren Ziel: Überleben. Man will wieder alles in den Griff bekommen. Schon ein halbes Jahr später folgte aber der nächste Schicksalsschlag, als meine Frau und weitere Familienmitglieder in einen Unfall verwickelt wurden. 15 Sekunden haben genügt, um mehrere Leben aus den Fugen zu bringen. Für mich waren diese Ereignisse wie ein Schuss vor den Bug. Ich musste jetzt einfach einen Schlussstrich ziehen, damit das, was wir aufgebaut haben, weiter bestehen kann.

Sind Sie auch etwas müde?
Nein, überhaupt nicht.

Verlangen Sie von Ihrem Nachfolger den gleichen Einsatz, die gleiche Leidenschaft?
Aber natürlich. Mit dem Status quo kommen Sie nicht weiter. Geht man beispielsweise nicht mit der Technik mit, wird man von ihr überrollt. Das ist mit ein Grund, weshalb ich täglich so viel Arbeitszeit benötige. Ich lese sehr viel, um mich in allen Bereichen, die unser Unternehmen betreffen, auf den neuesten Stand zu bringen. Man muss sich mental seiner Umgebung anpassen und beide Seiten kennen, jene der Kundschaft und jene der Produktion. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass ich den Auftrag erteilt habe, eine Eismaschine für eine Küche zu kreieren. Schliesslich legte man mir dann die ersten Entwürfe vor. Diese beinhalteten dann aber neben dem eigentlichen Gerät auch noch eine integrierte Kaffeemaschine, einen Eiscnisher sowie einen Trinkwassersprudler. Kostenpunkt: rund 6'000 Franken. Ich sagte, sie könnten den ganzen Vorschlag vergessen. Was ich wollte, war einzig und alleine die Eismaschine. Und die sollte nicht mehr kosten als 400 Franken. Denn letztlich soll der Kunde selber entscheiden, was er tatsächlich benötigt. Irgendwelche Kombigeräte machen keinen Sinn.

Ihre Entwickler wollten wohl einfach aufzeigen, was alles möglich ist.
Schon möglich. Aber ich setze mich bei solchen Entscheidungen immer auf den Stuhl des Kunden.

Ihr Nachfolger nimmt seine Tätigkeit offiziell am 1. Juni 2011 auf. Werden Sie hier im Hauptsitz weiterhin über ein Büro verfügen?
Nein. Das käme gar nicht gut. Dann wäre hier immer und überall noch mein Schatten. Mein Nachfolger muss sich hier frei bewegen können. Es wäre nicht von Vorteil, wenn wir uns jeden Tag sähen.

Wie nimmt sich ein Edgar Oehler zurück?
Ach wissen Sie, das ist überhaupt kein Problem. Entgegen der herrschenden Meinung habe ich überhaupt keine Mühe, von 100 auf 0 herunterzufahren.

Wie hart hat Sie der Vorwurf getroffen, Sie hätten sich auf Kosten des Unternehmens bereichert?
Am meisten getroffen haben mich die Vorwürfe dort, wo meine Familie mit einbe- «Mein Nachfolger muss sich hier frei bewegen können» zogen wurde. Meine Familie ist niemals auf Firmenkosten nach Florida in die Ferien geflogen. Punkt. Gerade in diesem Fall konnten wir alles mit Kreditkartenbelegen aufzeigen. Mein Finanzchef hat, als die Vorwürfe aufkamen, keine Sekunde gezögert und das Ganze als Blödsinn bezeichnet. Immerhin werden Bezüge von nicht weniger als vier Prüfstellen angeschaut. Und wenn ich tatsächlich einmal etwas privat bezogen habe, wird das auf dem Beleg mit «Oe p», also «Oehkr privat», gekennzeichnet. Man kann mir einzig und alleine vorwerfen, gewisse Details zu wenig dokumentiert zu haben. Alles darüber hinaus ist schlicht unwahr.

Sogar die Ausgaben für Wein gaben Anlass zur Diskussion.
Ja, genau. Als wenn ich Wein über die Firma beziehen würde. Blödsinn. Sogar den Wein, den ich geschenkt .erhalte, übergebe ich dem Restaurant in der Firma. Aber es ist so: Ich brauche sehr viel Wein. Jährlich sind es zwischen 800 und 1'000 Flaschen, die wir für Weihnachts- und Kundengeschenke einkaufen. Hat beispielsweise ein Kunde Anlass zu einer Reklamation, gelangen diese Beanstandungen zu mir. Ich sende dann umgehend drei Flaschen Wein oder einen Blumenstrauss. Damit beruhigt sich die Situation schon einmal. Derweil können wir uns intern an die Behebung des Problems machen. Nach drei Monaten frage ich dann beim Kunden nach, ob nun alles in Ordnung sei.

Und falls es das nicht ist?
Dann hätte unsere entsprechende Abteilung ihre Arbeit nicht erledigt und Ärger mit mir.

Vieles wird auch von den Medien aufgebauscht. Haben Sie schon einmal einenJournalisten vor die Tür gesetzt?
Nein. Ich war ja selbst lange Zeit Journalist. Ich weiss, was diese Arbeit beinhaltet. Ich kenne beide Seiten. Wer mich etwas fragt, erhält in der Regel Auskunft.

Sind Sie zufrieden mit dem Erreichten?
1998 habe ich die Hartchrom AG in Steinach erworben. Ich startete meine Unternehmerlaufbahn also mit 213 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 2003 kaufte ich der Familie des verstorbenen ehemaligen AFG-Patrons Jakob Züllig die AFG-Aktienmehrheit ab. Was folgte, waren mehrere Übernahmen, unter anderem die von Bruno Piani AG, EgoKiefer AG, RWD Schlatter AG, STI I Hartchrom AG und Asco Svviss AG. Wir haben die Krise überstanden und beschäftigen mittlerweile über 6'000 «Entgegen der herrschenden Meinung kann ich gut von 100 auf 0 herunterfahren» Personen. Ich glaube, was wir gemacht haben, war also nicht so schlecht. Ohne unser Engagement würde es in der Region heute anders aussehen. Natürlich ist mir nicht alles gelungen, aber mein Nachfolger soll ja auch noch etwas zu tun haben (lacht).

Sie waren nicht nur Chefredaktor, sie waren auch CVP-Nationalrat. Nun ist kürzlich Nationalrat Thomas Müller von der CVP zur SVP gewechselt. Was halten Sie davon?
Thomas Müller und ich haben sogar schon zusammen gearbeitet. Als ich Chefredaktor der Zeitung «Die Ostschweiz» war, war er zwischenzeitlich mein Nachtredaktor. Ich habe ihn als zuverlässigen Mitarbeiter kennengelernt, dem ich voll und ganz vertrauen konnte. Sein Parteiwechsel hat mich betroffen gemacht. Ich habe hin und wieder auch eine andere Meinung vertreten als die der Partei. Man muss sich halt einfach durchsetzen oder schauen, dass man Einfluss nehmen kann. Die Art und Weise, wie Thomas Müller die CVP verlassen hat, war nicht gut. Das war stillos. Wahrscheinlich hatte er aber auch Angst um seine Wiederwahl.