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Auf dem falschen Fuss erwischt

[NZZ am Sonntag | 26. April 2009 | Artikel]

Der Ostschweizer Unternehmer muss früher als geplant Macht abgeben. Das geschieht auch zu seinem eigenen Wohl.

«Am siebten Tag sollst du ruhen.» Als früherer langjähriger CVP-Nationalrat befolgt Edgar Oehler das zehnte Gebot seit Lebzeiten nicht. Heute rächt sich das. Seit dem vergangenen Dezember kämpft der 67-jährige Chef des Thurgauer Bauausrüsters AFG nicht nur gegen die Wirtschaftskrise, sondern auch gegen eine Blutvergiftung. Vier Operationen mit zwei Vollnarkosen hat er bereits hinter sich, eine weitere soll bald folgen. Drei Arzttermine pro Woche sind seit Wochen die Regel. «Meine Moral ist gut, die Krankheit behindert mich aber massiv.» Für einen Patron wie Oehler, der ein Ferienguthaben von fünf Jahren aufgebaut hat, ist dieser Eingriff in seine Autonomie eine Qual. Er ist es gewohnt, morgen nach China zu fliegen, drei Tage später zurück zu sein, um in den Flieger nach Dubai zu steigen. Arbeitet Oehler am Hauptsitz in Arbon, sitzt er um 6 Uhr am Pult. Schatten seiner selbst Da erstaunt es nicht, dass Oehler jüngst an der Generalversammlung seinen Rückzug auf das Verwaltungsratspräsidium ankündigte. Ungewollt. «Am Vorabend haben mich die Banken auf dem falschen Fuss erwischt», gesteht er. UBS und CS wollten seine Namenaktien als Sicherheiten für Kredite nicht mehr akzeptieren. Die Kapitalerhöhung war an Bedingungen geknüpft (siehe Kasten). Gut möglich, dass die Banken angesichts des Gesundheitszustands Druck ausübten, damit er zügig Macht abgibt. Allerdings hat er vor zwei Jahren schon seinen Rücktritt angekündigt. Selfmademan Oehler, der sein erstes Geld mit einer Hühnerfarm verdiente und später neben seinem Studium an der Universität St. Gallen ein Gipsergeschäft führte, wird als Alphatier beschrieben. Diese dulden keine mächtigen Nebenbuhler. Heute sitzt im Arboner Glasbau ein Schatten dessen, was Oehler früher verkörperte: Stärke, Stringenz, Sicherheit. Ins Bild passt, dass er der «Sonntags-Zeitung» mitteilte, man habe 2005 beim Zukauf von Miele Küchen keine Due Diligence gemacht. Oehlers Finanzchef erinnerte ihn später daran, dass sehr wohl eine Zweitprüfung stattgefunden habe. Vielleicht findet sich unter den neuen Umständen leichter ein Nachfolger für den CEO-Posten. Vorstellungen, wie dieser sein müsste, hat Oehler: Arbonia-Forster-Gruppe Edgar Oehler stieg 2003 beim Küchenbauer AFG ein. Er erweiterte den Bauausrüster und integrierte die Oberflächentechnologie. 2008 setzte AFG mit rund 6150 Angestellten 1,6 Mrd. Fr. um, die Betriebsmarge ([bit) liegt bei 5,5%. Die AFG-Aktionäre beschlossen eine Kapitalerhöhung von 113 Mio. Fr. Zudem erklärt sich Oehler bereit, noch 2009 die Einheitsaktie einzuführen und Macht abzugeben. Und: Sein Nachfolger als CEO soll bestimmt werden. «Kein Helikopterpilot, sondern einer, der die verschiedenen Geschäfte von AFG kennt.» Einen CEO vom Format des SBB-Chefs Andreas Meyer könne er sich gut vorstellen. Für Oehler wird es trotzdem schwierig sein, sein fünftes Kind AFG loszulassen. In sechs Jahren hat er den Umsatz von 680 Mio. auf 1,6 Mrd. Fr. mehr als verdoppelt, auch indem er Firmen wie Ego Kiefer, Piatti oder «Miele, Die Küche» übernahm. Dafür wurde er kritisiert. «Alle Übernahmen sind im Verwaltungsrat einstimmig bewilligt worden», betont Oehler, «manchmal gingen harte Diskussionen voraus.» Etwas durchdrücken sei nicht sein Stil. Die Diversifikation sei nötig gewesen. Forster Küchen hängt vom Stahl ab. «Hätten wir nicht zugekauft, wären wir am hohen Stahlpreis zugrunde gegangen.» Schulden abbauen Künftig wird Oehler mit einem Aktienkapital von 27% nicht mehr 61% der Stimmrechte halten, sondern nur noch 50 plus 1 Stimmen. So kann er sich immer noch gegen Übernahmeversuche wehren. «Wir können in dieser Krise zwei Jahre problemlos überleben. Die Kredite sind teilweise bis ins Jahr 2014 zu guten Bedingungen gesichert.» Oehler will die Schulden massiv reduzieren, durch die Kapitalerhöhung und das Kostensenkungsprogramm, zu dem der Abbau von bis 300 Stellen und das Kürzen von Investitionen gehören, sowie durch Verkäufe von nicht notwendigen Immobilien und Grundstücken. Dass Weggefährten Oehler auch anders sehen, erstaunt nicht. Gegenüber der «1 landeszeitung» erklärte er 2004 dass er die Führungs- und Wahlkampfgrundsätze des verstorbenen US-Präsidenten John F. Kennedy beherzige. Oehler zitierte: «Nichts verbergen, keine Mogelpackung und doppelte Böden und trotz Helfern und Stäben allein entscheiden.» 1 leute sagt er: «Ich habe gern, wenn ein Verwaltungsrat auch mich kritisiert. Ich war immer hart im Austeilen, aber auch im Einstecken. Darum mag er «das Weihrauchfass» so wenig wie den Sonntag als Ruhetag.